Dabei ist die Beckumerin trotz ihrer augenscheinlichen pädagogischen Fähigkeiten gar keine "richtige" Lehrerin - zugelassen ist sie als Rechtsanwältin. Doch seit sechs Jahren verbringt die Juristin mehr Zeit in Klassenräumen als in der Kanzlei oder vor Gericht. Von der Justizverwaltung Münster vermittelt, bietet Gehringhoff an drei Schulen im Be-zirk je einmal pro Woche die so genannte Rechtskunde-AG an, auch am Kopernikus-Gymnasium in Neubeckum.
"Die Arbeit mit den Schülern macht mir großen Spaß", beteuert
die Anwältin, dass sie die schwarze Robe nicht sonderlich vermisse.
Zumal sie sich im Klassenzimmer nicht mit widerspenstigen Mandanten
herumschlagen muss: "Es erleichtert die Arbeit schon, dass die Schüler
diesen Kurs freiwillig besuchen." Tatsächlich ist die AG keine
Pflicht-veranstaltung. Statt den Nachmittag vor dem Fernseher oder in
der Eisdiele zu verbrin-gen, basteln die 20 Schülerinnen (deutlich in
der Überzahl) und Schüler der zehnten Klasse mittwochs zwischen 14 Uhr
und 15.30 Uhr lieber frühzeitig an ihrem beruflichen Werdegang.
Tatsächlich könnte es in ein paar Jahren in Neubeckum eine wahre
Anwalts-schwemme geben: Nahezu alle, die die Rechtskunde-AG hier
besuchen, geben an, später einmal Jura studieren zu wollen.
Aller Anfang ist jedoch schwer. Juristen verstehen sich nämlich
nicht nur prima auf Ab-kürzungen jeglicher Art. Eine weitere
Spezialität dieser Berufsgattung ist es, scheinbar simple Alltagsdinge
hoch kompliziert darzustellen. Ein Beispiel von Gehringhoff: Je-mand
geht zum Bäcker. Haben vermutlich alle Zehntklässler schon mal gemacht,
bislang ohne Hintergedanken. Beim nächsten Einkauf haben sie jedoch
hoffentlich im Gedächt-nis, dass es laut Juristendeutsch dazu "zwei
übereinstimmender Willenserklärungen" (Kunde möchte vier Brötchen;
Bäcker veräußert sie bereitwillig) und "einer uneinge-schränkten
Annahme" (Bäcker hat vier Brötchen) bedarf.
Auf größeres Interesse stoßen bei den Schülern Praxistipps zum "Taschengeldparagra-fen" oder "Ebay-Kaufvertrag".
Und
noch handfester wird es für die Mädchen und Jungen, wenn sie
gemeinsam mit Gehringhoff einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Beckum
beiwohnen - sozusagen Barbara Salesch in echt. In den nachmittäglichen
TV-Gerichtsshows sieht die Anwältin aus der Wersestadt einen Grund für
den regen Zulauf, den die Rechtskunde-AG erfährt. Diese kann übrigens
in Absprache mit der Justizverwaltung jede Schule in Anspruch nehmen.
Text und Bild: Blickpunkt am Sonntag, 16.11.2005
Bild: Für Recht und Gesetz opfern sie sogar freie Nachmittage: 20 Mädchen und Jungen erlernen in der "Rechtskunde-AG" des Neubeckumer Kopernikus-Gymnasiums grundlegende juristische Zusammenhänge.